Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhold Lang | Chefarzt
Die gefährliche Sepsis – erkennen, behandeln und vorbeugen
Eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland ist nach wie vor die Blutvergiftung (Sepsis). Besonders gefährdet sind Risikogruppen wie Frühgeborene, alte Menschen oder Personen, die eine medikamentöse Therapie erhalten, welche das Immunsystem schwächt.
Wir verraten, wie die Blutvergiftung zu erkennen ist, welche Ursachen dazu führen und welche Behandlungsmethoden in Frage kommen. Auch der Aspekt der Vorbeugung gegen eine Sepsis wird angesprochen, gleichwohl sie sich nicht immer vollständig verhindern lässt. Umso wichtiger ist eine rechtzeitige Therapie, um lebensgefährliche Folgen zu vermeiden!
INHALTSVERZEICHNIS
Der Begriff Sepsis bedeutet so viel wie Fäulnis und stammt aus der griechischen Sprache. Er beschreibt fachsprachlich das Krankheitsbild der Blutvergiftung. Entgegen der allgemeinen Annahme, dass die Sepsis allein durch das Vorkommen von Krankheitserregern im Körper auftritt, ist sie vielmehr die Folge einer körperlichen Reaktion darauf.
Krankheitserreger gelangen zum Beispiel durch Infektionen ins Blut und führen zu einer Entzündungsreaktion des Körpers. Diese wichtige Abwehrreaktion des Immunsystems soll eigentlich Krankheitserreger im Blut beseitigen. Gelingt das jedoch nicht, können sich die Erreger weiter ausbreiten. Der Bereich, in dem die Infektion ursprünglich auftrat, ist nicht mehr als einziger von den Krankheitserregern betroffen. Ursächlich zeigt sich meist eine geschwächte Immunabwehr.
Einfache und schwere Sepsis oder septischer Schock
Bei der Sepsis-Definition wird zwischen einer einfachen und schweren Sepsis sowie dem septischen Schock unterschieden. Viele Patienten, die zunächst an einer einfachen Blutvergiftung leiden und aufgrund der unspezifischen Symptome nicht behandelt werden, erleiden dann unter Umständen alle drei Stadien.
Die einfache Sepsis kann in der Regel durch Medikamente therapiert werden, während eine schwere Sepsis die intensivmedizinische Behandlung erfordert. Die schwere Sepsis charakterisiert sich durch das Vorliegen der Blutvergiftung gemeinsam mit einer fehlerhaften Durchblutung oder einer anderen körperlichen Einschränkung, die das gesamte Immunsystem gefährdet.
Der septische Schock umschreibt einen lebensgefährlich niedrigen Blutdruck, der durch die Sepsis verursacht wird. Es tritt einzelnes oder multiples Organversagen auf, zum Beispiel fallen die Nieren, das Herz oder die Lunge aus. Trotz intensivmedizinischer Behandlung kann dieses Stadium der Sepsis in der Hälfte der Fälle zum Tod des Patienten führen, wenn es zu spät erkannt wird.
Die typischen Ursachen der Blutvergiftung sind Infektionen – über die Hälfte der Erkrankungen basieren auf einer Lungenentzündung. An zweiter Stelle stehen Infektionsherde im Bauchraum, die beispielsweise durch eine Gallenblasenentzündung auftreten. Weiterhin zeigen sich Harnwegsinfekte überdurchschnittlich oft für eine Sepsis verantwortlich.
Andere Blutvergiftung-Quellen sind zum Beispiel:
Infektionen mit Sepsis-Risiko können einerseits durch Bakterien, andererseits durch Pilze, Viren oder auch Parasiten entstehen. Neben den Ursachen der Blutvergiftung gibt es spezielle Risikofaktoren, die vermehrt zu einer Sepsis führen können. Individuelle Hintergründe von Patienten, wie ein schlechtes Immunsystem, das Alter oder eine vorangegangene Therapie sind Risikofaktoren.
Ein hohes Risiko besteht bei sehr jungen oder sehr alten Menschen, sowie bei frisch operierten Patienten. Behandlungen anderer Erkrankungen durch Chemotherapie, Blasenkatheter oder eine hoch dosierte Therapie mit Kortison schwächen das Immunsystem und sind daher ebenfalls Risikofaktoren.
Weiterhin können die folgenden Faktoren das Risiko für eine Sepsis erhöhen:
Es ist besonders wichtig, frühzeitig eine Sepsis zu erkennen, da unbehandelt Lebensgefahr für den Patienten besteht. Daher sollte jeder die typischen Blutvergiftungs-Symptome kennen. Unglücklicherweise sind viele der Anfangssymptome unspezifisch oder lassen Betroffene vermuten, dass sie an einer Grippe leiden.
Dazu gehören:
Betroffene legen sich meist ins Bett und warten ab, bis es ihnen besser geht - oder nehmen ihre übliche Erkältungs- bzw. Grippemedikation ein. Dadurch bleiben viele Sepsis-Erkrankungen im Anfangsstadium unerkannt.
Doch auch Blutvergiftung-Symptome wie eine sehr niedrige Körpertemperatur unter 36 Grad und eine erhöhte Herzfrequenz gehören zu den ersten Anzeichen. Im Verlauf der Erkrankung kommen Symptome wie eine warme oder gerötete Haut, eine beschleunigte Atmung, ein sehr niedriger Blutdruck und Verwirrtheit hinzu.
Ein roter Strich, der von einer Wunde bis zum Herzen führt, deutet nicht direkt auf eine Blutvergiftung hin – auch wenn landläufig diese Meinung besteht. Daran können Patienten keine Sepsis erkennen. Allerdings ist das Symptom ein Indiz für eine Entzündung der Lymphbahnen, die wiederum eine Blutvergiftung auslösen kann. Auch hier ist somit ein Arztbesuch wichtig.
Da die Blutvergiftung-Symptome recht unspezifisch sind und auf verschiedene Krankheiten hindeuten können, ist es schwierig, eine Sepsis zu erkennen. Erste Anhaltspunkte geben Beschwerden wie Verwirrtheit, niedriger Blutdruck und eine beschleunigte Atmung.
Beim geringsten Verdacht auf eine Sepsis muss der Arzt aufgesucht werden. Dieser führt eine körperliche Untersuchung durch und prüft verschiedene Kriterien, die auf eine Sepsis hinweisen.
Dazu gehören:
Außerdem nimmt der Arzt Blut ab. Bestimmte Werte können Aufschluss geben. Zeigt das Blutbild zum Beispiel eine Abweichung der Anzahl weißer Blutkörperchen, kann das ein Indiz für eine Blutvergiftung sein. Auch bereits beeinträchtigte Organfunktionen werden durch diesbezüglich schlechte Blutwerte aufgedeckt.
Besteht eine Infektion durch Bakterien, wird ein Breitbandantibiotikum verabreicht, bis der genaue Erreger bestimmt wurde. Dann erhält der Patient ein darauf abgestimmtes Antibiotikum. Auch der Infektionsherd muss gefunden werden, um eine gezielte Behandlung zu ermöglichen. Bildgebende Verfahren helfen, um den Ursprung der Sepsis aufzufinden - wenn auch nicht in allen Fällen erfolgreich.
In unserer Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin werden im Jahr 8000 Allgemeinnarkosen und Regionalanästhesien durchgeführt. Dabei legen wir besonderen Wert auf die bedarfsgerechte Narkoseführung. Durch moderne Narkoseverfahren in Kombination mit Regionalanästhesien ist die Nebenwirkungsrate von Narkoseüberhängen, Übelkeit und Erbrechen weitgehend eliminiert.
Die Sepsis ist eine klassische Erkrankung, die von Intensivmedizinern behandelt wird. Intensivmediziner haben die Erfahrung und das Know How zur Versorgung der häufig lebensgefährlichen Situation.
Eine Sepsis muss nicht mehr tödlich sein, doch ist es entscheidend, frühestmöglich eine Sepsis zu erkennen. Eine fortschreitende Blutvergiftung führt zu erschwerter Atmung und blauer, kalter Haut durch eine reduzierte Blutzirkulation. Diese wiederum zieht das Absterben von Gewebe oder sogar bestimmten Organen nach sich. Im Verlauf mündet eine Sepsis ohne Behandlung im septischen Schock mit Organversagen und letztlich im Tod.
Der eigentliche Krankheitsverlauf der Sepsis ist in der Regel bei jedem Patienten identisch:
Wie wird eine Blutvergiftung behandelt?
Die Blutvergiftung-Behandlung muss zwingend durch einen Arzt erfolgen. Eine akute Sepsis bedingt den sofortigen Notarztruf unter der Nummer 112. Bis der Notarzt eintrifft, sollten Ersthelfer regelmäßig den Puls des Betroffenen kontrollieren und für eine möglichst ruhige Umgebung sorgen.
Wurde die Sepsis zweifelsfrei diagnostiziert, wird der Infektionsherd im Körper ermittelt. Sofern dieser aufgefunden werden konnte - was nicht in allen Fällen möglich ist – tritt die Therapie der „Sanierung“ ein. Die Infektionsherde werden je nach Art operativ entfernt (z. B. bei abgestorbenem Gewebe) oder ersetzt (z. B. bei entzündeten Implantaten). Infizierte Stellen werden meist gespült.
Bei einer einfachen Sepsis kann eine medikamentöse Behandlung der Blutvergiftung ausreichen und ein Aufenthalt auf der Intensivstation ist nicht zwingend nötig.
Steht der Krankheitserreger fest und handelt es sich um ein Bakterium, wird ein passendes Antibiotikum verabreicht. Bei Pilzen kommen entsprechend andere Medikamente zum Einsatz (die so genannten Antimykotika).
Liegt hingegen eine schwere Sepsis vor, muss eine umfangreichere Blutvergiftung-Behandlung erfolgen. Es besteht in vielen Fällen Lebensgefahr, weshalb betroffene Patienten auf die Intensivstation verlegt werden. Das kann auch dann verordnet werden, wenn noch keine beeinträchtigte Organfunktion vorliegt. Die Organfunktion wird anschließend rund um die Uhr überwacht. Die Beseitigung des Infektionsherdes und eine medikamentöse Therapie (meist mit einem Antibiotikum) sind – wie auch bei einer einfachen Sepsis – Bestandteil der Blutvergiftung-Behandlung.
Bestehen bereits Einschränkungen der Organe, kommen Zusatzmaßnahmen zum Einsatz. So wird etwa bei Lungenversagen oder der Gefahr dieses Zustands eine künstliche Beatmung vorgenommen. Zur Vorbeugung von gefährlichen Blutgerinnseln, die bei einer schweren Blutvergiftung nahezu überall auftreten können, werden spezielle Medikamente verabreicht. Diese wirken gerinnungshemmend. Auch die Ernährung über eine Magensonde oder die Vergabe von Flüssigkeit über eine Infusion können in schweren Fällen nötig werden, wenn der Patient nicht mehr selbstständig essen oder trinken kann.
Ziel dieser Blutvergiftung-Behandlung ist die Stabilisierung des Blutdrucks, die dazu führt, dass alle Organe wieder ausreichend versorgt werden können.
Auch, wenn eine Sepsis überstanden wurde, bleibt sie in vielen Fällen nicht folgenlos. Gerade ältere Patienten müssen mit (teilweise bleibenden) Schäden wie einer Muskelschwäche oder Nervenschäden rechnen. Viele Patienten kommen zudem nicht über die Belastung hinweg, einmal an der Schwelle des Todes gestanden zu haben und entwickeln eine Depression. Wer von diesen oder ähnlichen Folgeschäden betroffen ist, sollte sich frühzeitig an einen Arzt wenden.
Wie kann man sich gegen Sepsis schützen?
Viele der Blutvergiftungs-Ursachen lassen sich nicht vollständig eliminieren. Somit ist nicht verwunderlich, dass auch eine Sepsis nicht zu 100 Prozent vermieden werden kann. Dennoch gibt es Verhaltensweisen, die dazu beitragen, das Risiko zu senken.
Gegebenenfalls kann auch eine Impfung von Risikogruppen gegen häufige Krankheitserreger wie Pneumokokken helfen, die Gefahr einer Sepsis zu senken. Personen mit einem geschwächten Immunsystem erhalten zudem oftmals vorbeugend Antibiotika, wenn sie eine schwere und mit einem hohen Infektionsrisiko versehene Operation vor sich haben. Dadurch lassen sich viele schwere Verläufe einer Blutvergiftung verhindern.